Haubentaucher
Die erste Brut der Haubentaucher wurde am 24. April 2021 durch einen hinterhältigen Angriff von Blässhühnern vernichtet. Um den 18. Juli hatte das Paar aber doch noch einen Junior gebären können. Haubentaucher ziehen 1-2 Bruten im Jahr auf. Als der Junior schon im Pubertätsalter war, aber immer noch laut schreiend Futter einforderte, entdeckten wir am 18. September das Elternpaar mit 3 frisch geschlüpften Küken. Nicht sehr zur Freude des Juniors. Aber taktisch wohl klug, denn im Spätsommer sind ihre Nachbarn, die Blässhühner nicht mehr aggressiv und lassen die Brut unbehelligt. Gute Nachbarn sind nicht nur für Haubentaucher wichtig.
Neue Nachbarn?
Unsere Wohnung im vierten und obersten Stock mitten in Dietikon verfügt über einen herrlichen Südbalkon, genauso wie unsere Nachbarwohnung und nur durch eine mannshohe Mauer getrennt. Während wir schon über 8 Jahre in der Wohnung hausen, wechseln unsere Nachbarn im Jahrestakt. Vielleicht liegt's an uns... Auch dieses Jahr war es wieder so weit. Als ich mit meinem Auto vor dem Haus parkierte, sah ich ein älteres Pärchen, das offensichtlich unsere Nachbarwohnung beäugte. Er mit Shorts im Military-Look, scharzen Kniesocken in weissen Sandalen und einem Edelweiss-Hemd, das sich über einen beträchtlichen Bauch spannte. Ein riesiges Schlüsselset mit Sackmesser klimperte an seinem Gürtel. Sie in einem züchtigen Kleid mit Blümchenmuster. Ich versuchte an den Zweien vorbei zu huschen, was er aber mit einem "Wohnst Du hier?" vereitelte. Ich nickte und murmelte "oben rechts". "Ha, Du Glückspilz, wir sind wohl Deine neuen Nachbarn." Mein Gott, war das 21 nicht schon schlecht genug? "Ich bin der Wädi, Walter getauft, und das ist Rosie. Wir sind nicht mehr so laut, jedenfalls nicht mehr so oft wie früher!" Mit einem glucksenden Lachen zwinkerte er mir zu und kniff seine Rosie tatsächlich in die Brust, was sie errötend, Kinn an ihrer Schulter reibend, mit einem "Ach Wäädiiih!" quittierte. "Witz verstanden, Kumpel?" Ich glaubte zu wissen, was er meinte. Und wäre ich Gebissträger, würde dasselbige nach seinem herzlichen Schlag auf meinen Rücken jetzt wohl am Rosenbusch vor der Garage baumeln.
Früher war er mal Coiffeur und rechnete mir vor: "10 Minuten Schnitt für 18 Franken, 6 mal die Stunde, 8 Stunden pro Tag und das 6 mal die Woche. Wenn Du weisst, was ich meine!" Beachtlich, murmelte ich. "Ja, aber seit ein paar Jahren bin ich Chauffeur. Aber nur lokal, weisst Du. Damit ich abends bei meiner Rosie bin." Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte sie nichts gegen einen Wädi als Fernfahrer eingewendet. "Karatetrainer bin ich auch noch" und führte mir gleich ein paar Grundtechniken vor, was jetzt immerhin mir ein Lächeln abrang. "Musst in Zukunft keine Angst mehr haben, ruf' einfach den Wädi!" Etwas, das ich nicht 'mal machen würde, wenn jemand meinen Kopf an einem Teppich festgenäht hätte.
Dann erfuhr ich, dass er früher einmal ein hervorragender Fussballer gewesen ist, und: "Wäre ich heute jung, mit einem Millionenvertrag in der Bundesliga kicken täte" und seinen Teamkollegen den 10 Minuten Schnitt verpassen würde, das habe aber nur ich gedacht. Er führte noch weitere heldenhafte Storys an, ich war mit meinen Gedanken abgeschweift. Ich stellte mir vor, wie er jeden Abend auf dem Balkon mit einem Bier in der Hand uns auflauerte und die neuesten Nachrichten kommentierte "musst nicht alles glauben, was in der Zeitung steht...". Eines Tages würde ihm das nicht mehr reichen und wir würden ihn in einem unserer Liegestühle vorfinden, "weisst Du, Rosie ist heute bei ihrem Nähplausch" und sicher würde er zu unserer Entlastung auch ab und zu auf unserem Balkon, unseren Grill anwerfen und uns zu seiner Party einladen. Spätabends würde er mich auf die Seite ziehen: "Gell, Du schaust Deiner Frau schon gut, nicht dass ich das auch noch machen muss!" So ein Typ, den man die Treppe runterstossen und die Tür hinter ihm zuschlagen könnte, er aber freudestrahlend auf seinem Balkon wieder auftauchen würde und nicht den leisesten Verdacht hätte, dass sein Besuch vielleicht unerwünscht war.
Bei "Frauentausch" kam ich wieder zu mir (ich hoffte, er meinte die Serie), auch dank einem derben Hieb am Oberarm. "Was ist los, ist doch superwarm, warum hast Du Gänsehaut und wie heisst Du eigentlich?" Gerold, flüsterte ich. "Ah, der Gäri! Willkommen bei Wädis! Was sind denn Deine Hobbys?" Fotografieren, stammelte ich. "Ah, Dein Glückstag heute. Ich habe schon manchem Knipser das Einmaleins der Fotografie beigebracht, so ein Auge wie ich habe, findest Du selten!" An dieser Stelle schob ich reflexartig ein nicht aufzuschiebendes Bedürfnis vor und rannte ins Haus.
Am Abend googelte ich nach NATO Stacheldraht und ob das Anbringen bei Wohnhäusern in der Schweiz erlaubt ist. So weit ist es aber nicht gekommen. Wädis zogen nicht ein. Aber ein junges Pärchen. Als ich an einem Abend die gläserne Balkontüre schon zugezogen hatte, streckte sie ihren Kopf über die Brüstung und winkte mir herzhaft zu. Oh, bitte nicht eine weibliche "Wädi"!!!