23. November 2010

New Orleans - "Who dat? Who dat? Who dat say dey gonna beat dem Saints?" - The Big Easy

A New Orleans Original

In einem Viertel der Schwarzen, auf einem Friedhof der Schwarzen, ein Weisser tanzend in Unterhosen... Aber was sollte ich denn machen?

Wir wollten auf einem Spaziergang dem Mississippi entlang unseren Kopf auslüften. New Orleans Friedhöfe sind legendär. Aus Angst vor Seuchen werden die Toten über der Erde in Mausoleen bestattet. Und eine solche „City of the Dead“ entdeckten wir vom hohen Damm aus. Sabina liebt diese Stätten der Ruhe. So stand ich bald an ein Gitter gelehnt und sah sie zwischen den Gräbern wandeln. Meine Frau nimmt sich gerne Zeit bei denen, deren Zeit einen anderen Weg ging, als sie selbst (1).

Ganz leicht spürte ich ein Kribbeln am Fuss. Ich stand in einem Nest von Ameisen. Plötzlich bissen, pieselten oder stachen sie wie Berserker oder was Ameisen auch immer tun (2). Ich spürte sie schon auf Kniehöhe und versuchte sie loszuwerden, aber das stachelte die Biester noch mehr an. Die Schuhe, Socken und meine Trainerhose flogen weg. Jede einzelne musste ich von meinen Beinen picken. Wäre jetzt einer der bekannten Trauerzüge um die Ecke gebogen, mindestens die Musik wäre verstummt. Ich meine, ich weiss ja nicht mal wie ich reagiert hätte. Hatte ich berechtigt Angst? So wie wir manchmal aussehen, sind es wohl die Schwarzen, die ihre Kinder von der Strasse holen. Als ich meine Schuhe auf einem Grab sitzend wieder anzog, meinte Sabi „das könnte man auch anders deuten...“

Auferstanden sind wir auch am nächsten Morgen wieder und fuhren ins French Quarter oder Vieux Carré. Wir hatten uns im Ramada Inn an der legendären Bourbon Street für zwei Nächte ein Zimmer genommen. In einem Viertel, in dem es keine Katzen und keine Hunde gibt. Die Katzen würden von den fetten Ratten gefressen und die Hunde hätten ohne Katzen keine Freude, davon ist jedenfalls Carol, eine ältere Bardame überzeugt. Ich glaube, es liegt eher an der Musik. Bei geschlossenen Türen in unserer Suite (nach 6 Monaten in einem Travel Trailer ist jedes Hotelzimmer eine Suite) dröhnte die Musik der verschiedenen Live-Bands nur noch in voller Zimmerlautstärke.

So gegen vier Uhr am Samstagnachmittag war schon einiges los auf dieser Strasse, an der Cabarets mit Love-Acts und Table-Dancers, Bars mit Live-Music und hübschen Animierdamen, die einem süffige Shots in allen möglichen Stellungen in den Hals schütten und Restaurants neue Kunden in ihren Bann ziehen. Bis weit nach Mitternacht nahm der Strom der Amüsierwilligen stetig zu.

Irgendwann zogen wir uns auf den Balkon zurück und genossen die wogende Menge aus luftiger Höhe. Mit dem Alkohol stieg auch die Agressivität. Zwei Schlägereien verfolgten wir mit. Die Polizisten in der Bourbon beherrschten die Szene aber nach kurzer Zeit und mit viel Gefühl, auch wenn manchmal die Berittenen eingreifen mussten. Dann stehen die Pferde in der Nähe Spalier und bekommen von jedem und jeder ihre Streicheleinheiten. Auch von uns. Warum das Pferd bei Sabina aber nervös geworden ist? Muss wohl ein Hengst gewesen sein...

Der Brauch will es, dass in New Orleans die Männer sich mit fürchterlich farbigen, billigen Halsketten eindecken und fremden Frauen schenken. Dafür kriegen sie einen Kuss und manchmal auch eine nackte Brust zu sehen. Der Balkon vor unserem Zimmer ist durchgehend. So gesellten wir uns am Samstag neben ein Pärchen, auf dessen Tisch ein Haufen solcher Kitsch lag. Seit sechs Monaten wohl die ersten Amerikaner, die uns nicht mal grüssten. Ihr uns auch!

An der ganzen Strasse stehen diese Könige auf den Balkonen und schenken ihrem Fussvolk die begehrten Ketten. Meistens bekamen sie zwar nur ein dankendes Winken, aber gar nicht wenige rissen ihre T-Shirts hoch und zeigten blanken Busen. Und rein anatomisch muss sich Amerika um seine Jugend keine Sorgen machen...

Ueberhaupt wissen die Amis zu feiern, vor allem die Frauen lassen die Sau raus. Kein Wunder schleppten die Anhänger einer „Christian Street Church“ ihre Kreuze durch die Strassen. An so einem Ort christliche Nächstenliebe zu predigen, das hat schon was.. Irgendwann im Morgengrauen wurde diese legendäre Party-Meile ruhiger und mit genügend Bier intus fielen wir in einen tiefen Schlaf.

„Who dat? Who dat? Who dat say dey gonna beat dem Saints?“ Ueber 60'000 Kehlen schrien ihren Schlachtruf auf’s Spielfeld. Die Saints, das Footballteam von New Orleans, die diesen Februar das erste Mal die Superbowl gewannen, sind die wahren Helden dieser Stadt. Kein Haus ohne Wimpel, kein Ecken ohne Zeichen, kein Auto ohne Sticker, das Fleur-de-Lis-Symbol sogar als Arschgeweih auf der Haut von eingefleischten Fans. Zum zweiten Mal in unserem Leben sassen wir in grosser Höhe, aber auf viel billigeren Plätzen als bei den Cowboys (die immerhin 2mal ohne Romo gewonnen haben) und genossen ein NFL-Game.

Auf den engen Stühlen zwischen einer verschworenen Gemeinschaft von Saints Fans sollte sich eigentlich eine gut gebaute Blondine als Nachbarin zu mir setzen. Ihr Vater oder Freund verhinderte dies mit sicherem Instinkt. Mein Gott, haben die denn hier gar kein Vertrauen?

Der Umgangston ist viel rauher als im übrigen Amerika. „Hi Babe, hows goin’?“ der Barfrau tönt in unseren Ohren erregender als das „hi Ma’m“ mit dem Sabina in Texas begrüsst wurde. Und als ich das Grunzen des Taxifahres nicht gleich beim ersten Mal als Einverständnis begriff, schrie er mir ein „C’mon brother!“ entgegen. „Hey, easy bro’“... Big Easy heisst doch diese Stadt!

Aber es liegt wohl an meinen Ohren. Als meine hübsche Nachbarin im Superdome eine Abwesenheit ihres Beschützers ausnützte, um mir (!) Popcorn anzubieten und ich verdammt elegant über den leeren Sitz gestreckt, meine Lauscher ihr entgegenstreckend auch beim vierten Mal nicht ein einziges der Kuschelworte verstand, die sie mir mit rauchiger Stimme zurief, musste ich mich beschämt und als Ausländer entlarvt, zurückziehen. Sabina neben mir grinste in sich hinein. Die Saints hatten keine Mühe und schlugen die Seahawks mit irgendwas über 30 zu irgendwas unter 20.

 Wir zogen uns nach dem Spiel an die Bourbon Street zurück, genossen guten Jazz und bezahlten unsere zweite Party-Nacht mit Kopfschmerzen und glasigem Blick am nächsten Morgen. Ach, wie lieben wir diese Stadt! Mehr Fotos, ein Klick auf Diaschauen New Orleans...:-)

Wir werden erst am nächsten Montag weiter ziehen.

(1) Frei nach Sandro Graf www.sandrograf.net

(2) Ameisen versprühen Ameisensäure, auch Methansäure genannt

New Orleans, The Big Easy, Stadt der Träumer, Sünder und Heiligen!
verdammte Ameisen (auf einem Friedhof der Schwarzen!)
Ohne Sonnenschein wirkt das Quartier schnell düster und abweisend
Strassenkünstler aller Arten unterhalten das Publikum im French Quarter
normalerweise sind diese Kutschenfahrten ausgebucht
Hustler's Barely Legal Club
Cash only! Im Rotlichtviertel das beste Zahlungsmittel (weltweit)...
Bourbon Street, Strasse der Sünde
jedem sein Outfit
Big Easy, live acts on stage!
Malerin mit Talent
die Aliens sind unter uns!
there are so many clowns but not enough circuses
wie aus einem Film
French Quarter Szene
gute Stimmung allerorts
he's posing!

Café du Monde, weltbekannt durch manche Filmszenen
good crowd, good mood
einfach faszinierend dieses Quartier
4 Models

Carol, eine Saints und Barkeeper der kleinsten Bar der Welt
Ramada Inn, die Hotel-Ikone vom French Quarter (2024 ein Four Points by Sheraton)
Party-People
die Damen der Nacht
Bordellbesucher
Türsteher ist ein harter Job
Streitschlichter - die Berittenen 
Bourbon - Toulouse Street
Strassentheater
nicht mehr ganz nüchtern
Auch Saints, mit dem Kreuz durch die Bourbon Street mit ihren sündigen Clubs

Einmarsch der Saints
meine Nachbarin, vom Vater gut beschützt 
und weg ist er
who dat, who dat...!

Maison Bourbon, einer der ältesten Jazz-Clubs der Stadt
Home of Jazz!
der Trompeter in seinem Element

so long Babes and Guys

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schade, waren es keine Ameisen der Pogonomyrmex Gattungen. Das Gift von einigen Pogonomyrmex-Arten wurde von manchen Indianern Nordamerikas als halluzinogenes Mittel genutzt ;-)

Gruss, Andrea

Anonym hat gesagt…

genau... slow down - take it easy oder so. hier schneit's im moment doch tatsächlich und mein grau-in-grau draussen kann in keinem fall mit den bunten bildern mithalten. mal abwarten wie die stimmung wird, wenn das kühle von oben wirklich liegen bleibt... hat dann ja auch was sehr friedliches und käme der friedhofstimmung schon sehr nahe. geniesst die zeit! liebe grüsse, andrea

Aline, Eddy, Cindy et Jenny hat gesagt…

We forgot to tell you : "Beware of ants at the cemetery!" Now you know how to dance!!!
The pictures are beautiful and we can see you really enjoyed during the whole day (day and night) your stay in New Orleans.
See you

Michael Knaus hat gesagt…

Guggi - Du musst die Ameisen aus den Ohren nehmen, dann verstehst Du auch die schönen Blondies besser :-) - und keine Katzen und Hunde - dafür Ratten - wäre kein Viertel für mich. Und Sabina und Friedhöfe - mmhh. liebe grüsse Michi

Gerold Guggenbuehl hat gesagt…

Ameisen raus und Pogono rein, und anstatt grau-in-grau noch farbiger sehen?.-)
tks anyway