24. Januar 2011

Miami Beach - der ganz normale Wahnsinn

Ocean Drive in Miami Beach

Ganz sorgfältig schob Marc unsere 20 Dollar Note in seine speckige Börse. Das kleine Dickerchen zieht Abend für Abend seine Runden am Ocean Drive, im Schlepptau die ganze Habe, zwei Köfferchen. Nur mit einem rosa Bikini bekleidet, geniesst er die Zurufe von staunenden Passanten und setzt sich mit „sexy“ Posen provozierend in Szene. Er verbringt den Winter im Süden und viel mehr, als dass er aus New York stammt, weiss Marc wohl nicht mehr. So vergass er auch unser Wechselgeld, hatte er sich doch für die Fotos von ihm 5 Dollars erschnorrt. Rein vom Benehmen her, wohl ein ehemaliger Wall Street Banker...

Das Bild schoss ich mit meiner brandneuen Kameraausrüstung, die wir im Verlauf des Tages in verschiedenen Geschäften von Miami zusammengekauft hatten. Bis am späten Abend fehlte nur noch das 24-70 mm Objektiv. Die Wahl zwischen einer Woche warten oder 300 USD über dem marktüblichen Preis zu bezahlen, fiel mir nicht leicht. Ausserdem wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der „Special“ des Abends im Restaurant am Ocean Drive mit 322 Dollars zu Buche schlagen würde. 150 die Paella (Lobster garniert), ein paar Biere, 12 % Sales -Taxe und 18 % Trinkgeld, plus die 20 für Marc. Mit Abstand das teuerste, aber bei weitem nicht das beste Nachtessen unserer Reise.

Nun, wer an einem schönen Ort sein will, soll auch dafür bezahlen. Und nach all den Monaten in überalterten Campgrounds war der Ocean Drive Balsam für meine Seele. Nur Sabina musste zurückstecken. Sie, die seit April letzten Jahres  auf den Plätzen jede Misswahl auch ohne Schminke gewonnen hätte, sah sich plötzlich Dutzenden von jungen Models gegenüber. Und wenn die Herren der Schöpfung überhaupt Augen für das andere Geschlecht hatten, dann fiel der Blick nicht immer auf sie („nicht immer“ ist in diesem Satz eine Form von „eher nicht“). Tja, da musste sie durch! Miami Beach ist noch immer eine Reise wert, im Prospekt würde ich aber schreiben: „Lassen Sie die Finger von „Specials“!“

Nach dem Ausflug ins Mekka der Schönen und Reichen verbrachten wir die nächsten Tage wieder im Sunshine Key Park und schossen hunderte von Bildern, um unser erlerntes Wissen zu testen. Ich habe dabei meine Liebe zum Vögeln entdeckt. Wunderbare Bilder, nicht?

Heute haben wir die Florida Keys verlassen. Nicht ganz ohne Schwermut. Reisen bedeutet immer wieder ein Kapitel schliessen und Abschied nehmen. Unsere Pläne werden uns wohl nach Houston bringen, um den Travel Trailer dem einzig brauchbaren Makler zu überlassen. Wir haben vereinzelte Anfragen, aber die sind so wage und über 1000 Meilen in den Norden ziehen, nur um ein „leider nein“ zu kassieren?

Bevor wir im März den Kreis schliessen und am 28. von LA nach Zürich fliegen, verbringen wir den Februar in der Karibik. Ein paar Tage auf St. Lucia und Puerto Rico und 11 Tage auf einem Kreuzfahrtschiff. Keine Sorge, wir sind uns bewusst, wie hart das Schicksal uns anfasst.

Marc, was für ein Schätzchen!
mein allererstes Bild mit der neuen Kamera und dem Wunderobjektiv... ja, geht besser😎
Daniel Almeria
Ein Grund, warum China mehr Geld als der Westen hat😏
das Restaurant mit dem "Special"-Angebot am frühen Morgen
Cab please!
Tischlein deck Dich!
Ocena Drive by night
Miami Beach
Frauen bleiben draussen...

Im Flug, nicht ganz einfach
Joy of life
Fish Eye auf Marathon Island
Sombrero Beach Sunset
aus dem Uebungsheft

so long guys

11. Januar 2011

Florida Keys - Amerika ist pleite

nach diesem Post erhielt ich ein E-Mail eines Amerikaners, dass ich mich mit meinem deutschen Flittchen aus dem Lande scheren solle...

"Don't waste your time!" war die Antwort eines Campground-Mitarbeiters auf meine Frage, wie ich unseren Travel Trailer am besten verkaufen kann. Das Denken der Amis spiegelt sich auch im nächsten Satz wider “If you don’t need the money to fly back home…” Ich solle weder einen ansässigen RV-Dealer um ein Angebot bitten, noch grössere in der Umgebung von Miami. Er würde mit seinem nach Houston fahren, dem einzigen Anbieter, der keine neuen Modelle verkauft, sondern auf Makler-Basis (consignment) die Trailers auf seinen Platz stellt.

Die gleiche Antwort bekamen wir von den angefragten Händlern. Wenn wir ein neues Modell kaufen würden, kein Problem. Die Offerte wäre bei 14 bis 17tausend. Ich habe ihn für 10’900 im Internet ausgeschrieben. Doch es gibt schlicht keinen Markt. Die Amis sind ausgeblutet, hocken auf ihren im Konsumrausch gekauften Sachen, sind bis unters Dach verschuldet und ersticken wohl irgendwann an chinesischer Billigware.

Kein Wunder fährt die Hälfte der Amerikaner in Autos, mit denen ich vor Jahrzehnten beim Quartett spielen meistens verlor!

Für mich ist Marathon ein Sinnbild der Krise. Vieles steht zum Verkauf, die Häuser sind schlecht gewartet, die Autos alt und verbeult und die Einwohner scheinen ihrer Hoffnungen und Träume beraubt. Mit wem auch immer man spricht, die Leute haben kein Geld und vor allem, sie verdienen kein Neues. Jeder vierte Haushalt in den Staaten kommt nur dank Essensmarken über die Runden. Die USA befinden sich im Sinkflug und werden wohl als Drittweltland enden.

Amerika bräuchte neben einem starken Präsidenten ein fleissiges und mitdenkendes Volk. Obama ist wenigstens realistisch, hat er doch seinen Slogan “Yes we can” in “Thought we could” geändert (Jay Leno).

Ein Müsterchen an Unfähigkeit bekamen wir von den Mitarbeitern des “Office Depot”, einer Kette für Büromaterial und Papeteriewaren. Am 18. Dezember gaben wir eine Visitenkarte in Auftrag. Als wir am 4. Januar zum achten Mal im Laden standen, kapitulierten wir. Wenn sie bei diesem Jahrhundertauftrag einen Schritt weitergekommen waren, war er bestimmt falsch. Immerhin dürfen sie jetzt 200 solcher fehlerhaften Prachtsexemplare ihr eigen nennen.

Besser machten es die beiden Damen in einer Druckerei, deren Interieuer mich an meine nicht erlebten 50iger Jahre erinnerte. Trotzdem hielten wir eine halbe Stunde später ein “Gut zum Druck” in den Händen. Da wir auch eine Karte für Sabina in Auftrag gegeben hatten, nahmen wir die Verwechslung des Fotosujets als vom Schicksal bestimmt hin.

Aber Amerika wäre nicht Amerika, wenn es nicht in Form von David Simchock das Gegenteil zu bieten hätte. David, einer der wenigen Interessenten unseres Trailers war auf dem Weg nach Key West. Er war mir schon letztes Jahr im Internet als einer der besten Fotografen des Landes aufgefallen. Und eben dieser stand pünktlich und mit seiner hübschen Freundin Beth leibhaftig vor uns.

David Simchock, 46 aus New Jersey, zwei Masters in Engineering, 6 Jahre vor dem grossen Bruch in England einen “suit-and-tie”-Job innehabend, beschloss 1999 reisen zu gehen. 6 Kontinente und 3 Jahre später hatte er seine Berufung als Fotograf und Schriftsteller gefunden. Heute lebt er von seinen Fotos und vor allem von den Kursen, die er fotobegeisterten Kunden anbietet.

David Simchock

David Simchock

Wir packten die Gelegenheit beim Schopf und folgten den beiden nach Key West, wo wir 3 Nächte verbrachten. Ich erhielt für bescheidenes Entgeld einen vierstündigen Kurs von David. Nach diesen Stunden fragte ich mich allerdings, warum bei mir farbige Bildchen auf meinem PC erscheinen, wenn ich meine CF-Karte entlade. Der grosse Unterschied: David weiss, wie er Bilder schiesst und ich wusste es… eben nicht.

Anyway, in mir ging eine neue Welt auf und vor allem trafen wir zwei grossartige Menschen, die wir hoffentlich wieder einmal treffen. (David: “Just one kiss!”) In Key West weiss man, wie man einen Tisch deckt und so genossen wir ein erstklassiges Essen und gute Gespräche. Wir waren uns einig, dass man sich auf Reisen nicht offensichtlich verändert, die grösste Veränderung eigentlich der Entschluss zum Reisen selbst ist.

Mit Beth und David genossen wir  am zweiten Abend ein Konzert von Eric Lindell , der letzthin in New Orleans vor 80’000 Fans spielte und nun auf Club-Tour ist. Im Green Parrot, der ältesten Bar von Key West, bot er in kleinstem Rahmen Blues Fans Musik vom Feinsten. Unglaublich, die Künstler bedankten sich für unser Erscheinen mit etlichen Zugaben und persönlichem Handschlag!

Am nächsten Tag flogen wir mit einem kleinem Wasserflugzeug, dafür mit einem umso grösseren “Hang-Over” auf die Dry Tortugas, 70 Meilen westlich von Key West. Ein spezieller Ort.

Wie auch Key West, mit seiner längsten Hauptstrasse der Welt, die vom Golf von Mexiko zum Atlantik führt. Auf so was sind die Bewohner der Conch Republic stolz. Key West, das 1890 mit über 20’000 Bürgern die grösste und reichste Stadt von Florida war, zu einer Zeit als Miami noch Fort Dallas hiess und aus ein paar Hütten bestand. Allerdings ging Key West in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts bankrott.

Wir genossen die Zeit in diesem ehemaligen Piratennest. Die Stimmung war gut und das Crowne Plaza La Concha mitten in der Duval Street gelegen. Die Touristen bringen immer noch Geld, doch die Werktätigen sind mehrheitlich Ausländer. Man wird von Russinnen, Letten, Ungaren, Polen und Kroaten bedient. Ob Rikschafahrer, Mitarbeiter im Starbucks, Kellnerinnen oder die Leute an der Réception, aus allen Herren Länder stammen die jungen Leute.

Die Tage vor und nach Key West verbrachten wir in einem RV Resort nahe Marathon, fuhren auf der 7 Mile Bridge täglich ins Gym, erfreuten uns an der schönen Gegend und warten immer noch auf ein Wunder in Form eines kaufwilligen und zahlungsfähigen Amerikaners.

Marathon, die Geschäfte stehen grossteils leer
 an bester Lage, aber zu verkaufen
naja, die haben bis jetzt noch nicht bezahlt...

Bahia Honda State Park, wunderschön und von den Florida Keys Besuchern meistens links liegen gelassen...
U.S. Highway 1 (auch U.S. Route 1 oder US 1)
Florida ist farbenfroh
die alte Eisenbahn- und spätere Autobrücke beim Bahia Honda State Park
die alte 7 Mile Bridge ist für Fussgänger und Fahrradfahrer offen, aber nur bis zur Pigeon Island, dann fehlt der Brücke ein Stück
was für eine Idylle
in der Ruhe liegt die Kraft, auf Pigeon Island
Eine Plage für die Vogelwelt der Inseln, wollte uns ein Amerikaner weismachen...
...aufgrund fehlender natürlicher Feinde würden vor allem die Meeresschildkröten unter den Eier verspeisenden Viechern leiden, meinte er. Zu dumm, dass diese wunderschönen Tiere sich in der freien Natur nur von Grünzeug ernähren! Manchmal könnte man sie auf den Mond schiessen, und ich meine nicht die Leguane. 

Panning, nicht ganz einfach
after Sunset gibt's die stimmungsvolleren Fotos (danke David)

Key West und zwei riesige Kreuzfahrtschiffe
Anflug auf Fort Jefferson 
die Landung war ziemlich ruppig
ein vielfotografierter Strand
Sicht vom Fort Jefferson auf Dry Tortugas und unser Wasserflugzeug
zooming! 
Sabina und der Pelikan
leider hatte ein Sturm einen Tag vorher den Sand aufgewirbelt und die Farben der See gebleicht

So long Guys!