27. August 2011

Pittsburgh, Cleveland und Detroit - auf verlassenen Pfaden

Pittsburghs Flüsse: links Allegheny River, rechts der Monongahela und in der Mitte der Wisconsin Glacial Flow, die den Ohio bilden.


„Happiness is to see New Jersey in the rear view mirror!“ So schnell wie möglich verliessen wir diesen übervölkerten Staat, der innert Meilen heruntergekommene Gegenden und prächtige Villenviertel präsentiert.

Und nicht ohne Groll gegen unseren Autoverkäufer. Unsere eingeschriebene Reklamation an seine Adresse und an den Hauptsitz löste immerhin einen Anruf aus. Sabina erstritt sich, im wahrsten Sinn des Wortes, 660 USD. Good job, thanks!

Kurz nach der Dämmerung trafen wir in Pittsburgh ein. Düster, fast unheimlich präsentierte sich die hügelige Stadt. Mächtige, eiserne Brücken überspannen die Flüsse, auf kurvigen Strassen fährt man durch Tunnels und Täler. Die Hügel um die spektakuläre Skyline sind stark bewaldet.


In schwarzer Nacht fuhren wir vor dem Best Western vor. Genauso schwarz wie die Gäste und Angestellten der Absteige. Seltsame Gestalten lungerten in der Lobby herum. Von Dealern und Gaunern fühlten wir uns umzingelt. Wir schlichen in unser schummriges Zimmer. Ich wusste doch nicht, dass Best Western Hotels völlig eigenständig geführt werden. Dieses führte wohl einer, der im Untergrund tätig ist. Würde unser Schauermärchen kein Ende nehmen?


Am nächsten Tag strahlte die Sonne vom blauen Himmel. Downtown war fast menschenleer. Nach dem Gewusel in New York und Jersey eine Wohltat. Die Stadt der Steelers, dem mächtigen Footballteam, das dieses Jahr in der Superbowl (Endspiel) an den Green Bay Packers gescheitert war. Die Mannschaft trägt ihre Heimspiele im Heinz Field aus, das nach dem Sponsor, der H.J. Heinz Company benannt wird. Aber Pittsburgh ist nicht nur der Sitz von Heinz Ketchup. Die Stadt ist von Kohlevorkommen umgeben und die Flüsse gut schiffbar. Viele Deutsche haben sich im 19. Jahrhundert hier niedergelassen, zeitweise seien 4 deutsche Tageszeitungen erschienen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Pittsburgh weltweit am meisten Stahl produziert. Aber nicht nur harte Kerle brachte die Gegend hervor. Pittsburgh, etwa so gross wie Zürich, setzte auch auf Bildung und Kunst und wird von manchen als „City of Champions“ bezeichnet. Erfolgreich sind nicht nur die Footballer, auch die Baseballer und Eishockey-Spieler holten schon manche Trophäe.

Ob Zufall oder nicht, an 5 Universitäten holen Studenten ihre Meriten. Hier wurde das erste Mittel gegen Kinderlähmung erfunden. Spitze sind die Forscher aber auch in der Organverpflanzung und in der AIDS-Forschung. Seit 1994 widmet das Andy Warhol Museum seinem berühmten Sohn die grösste Ausstellung eines einzelnen Künstlers, weltweit!



Nur die Stahlkrise in den 70er Jahren, ausgelöst durch einen ruinösen Wettbewerb von nationalen Kartellen, versetzte der Stadt einen Dämpfer.

Wir stapften durch Downtown. Schnee lag allenthalben in den Gräben und wirbelte durch die Strassen. Einige waren gesperrt. Ein Helikopter lärmte über der seltsamen Szenerie und tauchte in halsbrecherischem Flug in die Schluchten der Wolkenkratzer. Ein futuristisches Gefährt raste über das Pflaster. Nur Batman zeigte sich nirgends. „Magnux Rex“, ein weiterer Film des Superhelden, wurde gedreht.


Wenn die Crew in ein paar Wochen abgezogen sein wird, ist wahrscheinlich auch der weisse Styropor in die Flüsse geweht worden. Wie eine Speerspitze liegt Downtown Pittsburgh zwischen dem Allegheny  und dem Monongahela River, die sich zum Ohio vereinen, der später in den Mississippi mündet. Und wie ob des Spektakels noch nicht genug, schiesst eine Fontäne in der Mitte des „Speerspitzes“ 40 Meter hoch. Eine Fontäne, die vom sogenannten „Wisconsin Glacial Flow“ gespiesen wird, einem unterirdischen Flusslauf. „a Wohnsinn, die Stodt!“

Die Dealer, Zocker und Gauner im Hotel zeigten sich zahm. Kein Wunder, waren es doch Teilnehmer verschiedener Bibelkongresse. Da hatten wir uns wohl etwas vertan, aber wie sagt man ganz treffend?

“Going to church doesn't make you a Christian any more than standing in a garage makes you a car!”

Auf dem Weg nach Cleveland besuchten wir Iron Mountain, ein riesiges Lager in einem stillgelegten, meilenweiten Kalksteinbruch, in dem Fotos, Filme und Dokumente von dutzenden Firmen und Organisationen gelagert werden. Alles streng geheim, aber ich glaube, dass dort E.T. s Originalstreifen gelagert wird, darf ich erzählen. Der Eingang wird bewacht wie Fort Knox, trotzdem durften wir eine Firma tief im Innern des Berges besuchen. Sehr eindrücklich.

Anstatt nach Cleveland fuhren wir nordwärts nach Erie, nicht überraschend, am Lake Erie gelegen. Die Fläche des Sees misst mehr als die Hälfte der Schweiz, ist aber mit einer tiefsten Stelle von 64 Metern und durchschnittlichen 19 Metern Tiefe ein flaches, vom Gletscher geformtes Becken. In Erie waren sämtliche Hotels ausgebucht, vom Sheraton bis zum unbekannten Bed- and Breakfast Motel. Und das mitten in einer der grössten Wirtschaftskrisen des Landes! Viel zu bieten hat die Stadt nicht, ausser einer Peninsula, die fast 6 Meilen in den See ragt und ein perfektes Naherholungsgebiet für Radler, Rollerblader und andere Freizeitsportler ist.

In Cleveland, Ohio, waren freie Hotelzimmer keine Mangelware. Wir wanderten durch menschenleere Strassen. Staus oder Rush hours gibt es hier schon lange nicht mehr. 1930 war sie mit über 900’000 Einwohnern die 5. Grösste der USA. Heute fühlen sich noch knapp 400’000 wohl etwas einsam. Einzig die am Seeufer gelegene “Rock’n’Roll Hall of Fame” versprüht etwas Glanz und Gloria.

Solche Städte eignen sich aber perfekt für Filmdrehs. Schon wieder schauten wir auf eine gespenstische Szene. New York City in Schutt und Asche. Eine ganze Strasse wurde samt Autos auf Manhattan getrimmt. Gelbe NY-Cabs lagen zerbeult auf dem Dach, aus Trümmern von betonisiertem Styropor wehte Rauch, Russ und Staub. Ein Kran mit Scheinwerfern beleuchtete die Szene. Auch “The Avengers mit Captain America” werden uns wieder mal ins Kino locken.


Viel, viel weniger Spektakel bietet der Cuyahoga Valley National Park, ca. 30 Meilen südlich gelegen. Ein paar Schmetterlinge, an Seerosen saugende Karpfen und ein paar jagende Vögel inmitten einer Wald- und gelegentlichen Sumpflandschaft ziehen wohl nur Einheimische an.



Noch viel dramatischer als in Cleveland zeigt sich eine falsche Wirtschaftspolitik in Detroit, Michigan. 1909 wurde der erste Ford vom Fliessband gelassen. Immer mehr Autofirmen siedelten sich in der kalten, flachen Stadt an. 1950 zählte Detroit fast zwei Millionen Einwohner. Heute gerade noch knapp über 700’000! Davon 82 % Schwarze und über 100’000 Assyrer (Christen aus dem Nahen Osten) Ein stetiger Niedergang setzte in den 60er Jahren ein. Die Modelle der amerikanischen “Big three”, Ford, Chrysler und General Motors wurden immer weniger gefragt. Da die Stadt auf fast nichts anderes als den Automobilbau gesetzt hatte, konnte oder wollte niemand den Abstieg aufhalten. Auch hatte diese seit ihren besten Jahren keinen guten Ruf. Rassenunruhen, eine hohe Kriminalitätsrate und ein garstiges Klima setzte der “Motor City”, wie sie auch genannt wird, zu.

Fast 40 % der ehemals bedeutsamen Gebäude stehen heute leer, seltsamerweise hat es nicht nur bestimmte Stadtteile getroffen, in allen Quartieren wurden Häuser verlassen und nie mehr bewohnt. Sogar mitten in Downtown stehen Wolkenkratzer einsam und verlassen da. Ganze Fabriken werden dem Verfall überlassen, wie die Packard Plants (Packard, eine ehemalige Luxus-Automarke, bekannt durch die Studebakers). 325’000 qm ungenutzt, von Pflanzen überwuchert und vom Menschen vergessen. Nur Randständige und Graffity-Künstler werden von den Ruinen angezogen.

Detroit wirkt wie eine Stadt aus einem kruden Endzeitfilm. Eine gewisse Magie kann man ihr aber nicht absprechen.

Obwohl General Motors noch immer in Detroit produziert, hier nach wie vor den Hauptsitz hat und die Stadt seit 1990 einen Turnaround anstrebt, wandern stetig viele Bewohner ab. Ob die Strategie, mit Casinos Menschen anzuziehen, eine nachhaltige ist?

Auch Motown (aus Motor und Town, 1959 in Detroit gegründet), das legendäre Plattenlabel, das vor allem R&B und Soul auf den Markt brachte, hat den Sitz mittlerweile in New York. Auffallend ist aber, dass unglaublich viele Superstars der Musikszene aus Detroit stammen. Ich kann mir das nur damit erklären, dass das rythmische Gestampfe der Fliessbänder das Taktgefühl der Einwohner verbessert, die Kälte die Menschen zum Tanzen treibt und die Trostlosigkeit zum Dichten, Rappen und Singen…

Im Ernst, um nur einige zu nennen:

Madonna, Eminem, Alice Cooper, Bob Seger, Areta Franklin, Diana Ross, Kid Rock und Suzie Quatro und unzählige weitere!

Seltsamerweise betreibt man in Detroit aber keinen Personenkult. Eminem gilt als Nestbeschmutzer, Kid Rock als Glückspilz und auch die anderen sind in der Stadt nicht zu bemerken. Naja, die meisten sind Weisse und die Rassentrennung besteht immer noch, obwohl man das hier nicht unbedingt auf den ersten Blick bemerkt, da für einmal die Schwarzen in der Ueberzahl sind. Das Uebel mit den Rassen liegt wohl darin, dass eine riesige Mehrheit aller Gruppierungen gar keine Vermischung will und argwöhnisch den Fremden betrachtet. Ich glaube nicht, dass Weisse rassistischer als andere sind. Der Mensch ist rassistisch.


Das Wetter ist immer noch gut. Während an der Ostküste der Notstand wegen “Irene” ausgerufen wird, spazieren wir luftig gekleidet durch die warmen Strassen des mittleren Westens. Aber die Kälte in den Wintermonaten muss hier grausam sein. So schrecklich, dass die Einwohner sie nicht aus den Häusern vertreiben können… Während im Westen und Süden die Lobbys und Einkaufszentren nicht mehr ganz so stark gekühlt werden, herrscht im Osten in den Gebäuden noch immer arktische Kälte. Erstens unangenehm und zweitens eine enorme Verschwendung von Energie. Geliebtes oder gehasstes Amerika. Jeder kann sein eigenes wählen.



Unsere nächste Station ist Chicago. Hätten wir Jahre in Detroit gewohnt, wir würden sicher viele Wiedersehen feiern.


Brunnen in Pittsburgh
wohl etwas vom Ersten, das man in Pittsburgh zu sehen bekommt: Brücken, 446 an der Zahl, mehr als Venedig, sagt man...


das linke Ufer der Stadt
Eisenbrücken bestimmen das Bild
ein Teil der Skyline
Kilometer lange Güterzüge rattern über die Schienen
Skyline...
...in voller Pracht


 Wenig Leute in Downtown PB
Schnee im August?
unbestritten!
in hoher Geschwindigkeit durch die Schluchten von Pittsburgh
der Pilot, sicher kein Anfänger

im Hintergrund die "Rock'n'Roll Hall of Fame" von Cleveland
die Stadt baut am Seeufer futuristische Gebäude, rechts das Science Museum
AT&T-Eingang als Kunstobjekt
get stamped!
"Public Square"
keine Arbeit auf der Kreuzung
nicht untypisch


New York City mitten in Cleveland
das nächste Opfer wird gebracht
der Chef legt Hand an
ich schwöre, die stammen nicht aus dem Film!

Ein vertrautes Bild im Osten, Gänse, solche die wohl auch die Heldentat von Sully Sullenberger (Landung des Passagierliners ohne Antrieb im Hudson River) ausgelöst haben
perfekt erwischt und nicht aufgespiesst wie viele andere Fotos von Schmetterlingen
der Beweis!
im Sumpf des Cuyahogas
Wasserfall am Rande des Cuyahogas

Am Riverwalk mit Blick auf Windsor, Canada
der GM Hauptsitz direkt am Detroit River gelegen
der Riverwalk
Kunst prägt die Stadt
die Brücke nach Canada
im People Mover durch Detroit, eine Rundstrecke, 4.7 km in 10 Meter Höhe
weltberühmt, lesender Passagier in einem Bahnhof der Bahn
für 50 cents drehten wir 4 Runden
das blaue, glasige Greektown Casino Hotel im Hintergrund
GM Eingang
Strasse durch Detroit in der Rush Hour!
82 % der Bevölkerung sind Schwarze
noch 'ne Runde
Werbung für ein Herrenkleidergeschäft
super Graffity Künstler verzierten fast ganz Detroit
Motown Hommage?
ein Teufelskerl
find ich auch top!
futuristisch
leere Strassen

Grand Central Station, der ehemalige Bahnhof
seit 1988 stillgelegt
Das "Heidelberg Project", ein Bürger hatte 1967 die Nase voll von Dealern und Mördern
mit Kunst wollte er Leute ins Quartier locken
verrückte Idee, aber gelungen, das Viertel gilt trotzdem immer noch als eines der ärmsten der ganzen USA, nachts würde ich dort nicht spazieren gehen. "Heidelberg Project" wurde nach der  Strasse des Quartiers "Heidelberg Street" benannt


Plackard Plants, nicht weit von Downtown entfernt
Strasse durch die Fabrik
verlottert
fast Kunst
eine längst stillgelegte Fabrik neben dem Gefängnis gelegen, man beachte die Tafel...
in der ganzen Stadt waren die Sprayer am Werk
mir gefällt's
aber ein nettes Fotosujet
mit einem Blick immer Richtung Dach, ständig fallen Teile runter
Kunst?
schwierige Lichtverhältnisse für Fotografen
die Denkerin
ohne Angst in gespenstigen Räumen
Kirchen und Graffity
im Stadtzentrum
nicht der einzige Oldtimer in der Stadt
das Haus steht leer
typischer Hintereingang
der Busbahnhof
posing!
menschenleer, nahe des Eastern Markets, ein Farmer Markt
Farmer's Market
mitten in Detroit
mit dem Fahrrad unterwegs
Strassenszene
man muss fast auf Autos warten...
Lobby des Atheneum Hotel, ziemlicher Kontrast zur Aussenwelt
der Cuyahoga Fluss durchzieht Cleveland
die meisten wollen aber aus Cleveland raus
das Marriott in Cleveland am "Public Square"
GM Hauptgebäude in Detroit
es grüsst der Fotograf...
der People Mover in Detroit, nicht unbedingt "stadtverschönernd"
nochmals das Ceasars in Windsor Canada
Eine Möwe prominent im Bild
Bahnhofzierde (People Mover Station)
gehört zum Stadtbild
Der Leuchtturm am Detroit River
korrektes Befahren der Wege, für Schweizer selbstverständlich...

so long guys